Inklusion - was ist das genau?

Veröffentlicht am 17.06.2013 in Ortsverein

Inklusion ist nach Wikipedia ein pädagogischer Ansatz, dessen wesentliches Prinzip die Wertschätzung der Diversität (Vielfalt) in der Bildung und Erziehung ist. Das heißt in der Praxis, dass alle Kinder miteinander lernen, gleichgültig ob und welchen Förderbedarf sie haben. 1994 nannte die Salamanca-Erklärung Inklusion als wichtigstes Ziel der internationalen Bildungspolitik und war das Hauptergebnis der UNESCO-Konferenz Pädagogik für besondere Bedürfnisse.

Das Leitprinzip, das diesem Rahmen zugrunde liegt, besagt, dass „Schulen alle Kinder, unabhängig von ihren physischen, intellektuellen, sozialen, emotionalen, sprachlichen oder anderen Fähigkeiten aufnehmen sollen. Das soll behinderte und begabte Kinder einschließen, Kinder von entlegenen oder nomadischen Völkern, von sprachlichen, kulturellen oder ethnischen Minoritäten sowie Kinder von anders benachteiligten Randgruppen oder -gebieten.“ In der 2006 beschlossenen UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen verpflichten sich die Unterzeichnerstaaten ein inklusives Bildungssystem zu errichten, in dem der gemeinsame Unterricht von Schülern mit und ohne Behinderung der Regelfall ist. Nach Auffassung des Deutschen Instituts für Menschenrechte ist durch die Unterschrift der Bundesrepublik Deutschland unter die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen die Möglichkeit von Staatsorganen, sich auf einen „Ressourcenvorbehalt“ zu berufen, hinfällig geworden: Das Argument, für die Umsetzung des Inklusionsprinzips stehe nicht genug Geld zur Verfügung, dürfe also nicht mehr gegen Antragsteller ins Feld geführt werden. Auch Gymnasien seien verpflichtet, Kinder und Jugendliche mit Behinderungen aufzunehmen. Im Juni 2011 veröffentlichte die Weltgesundheitsorganisation WHO und die Weltbank den 1. weltumfassenden Bericht zur Behinderung, sie kam zu dem Schluss, dass Bildung der Schlüssel zum ersten Arbeitsmarkt sei, der für Menschen mit Behinderung durch Vorurteile und Ignoranz, mangelnde Bereitstellung von Dienstleistungen sowie berufliche Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten jedoch weitgehend verschlossen bliebe. Das deutsche Bildungssystem ist im Wesentlichen dadurch gekennzeichnet, dass Schüler nach Klasse 4 oder Klasse 6 verschiedenen Schulen zugewiesen werden. Schüler werden nach der Grundschule beurteilt und wurden früher eingeteilt in Haupt-, Realschule und Gymnasium. In vielen Ländern Deutschlands gibt es allerdings die Hauptschule als eigenständige Schulform nicht (mehr), und vielerorts besteht die Möglichkeit zum Besuch einer Gesamtschule, wodurch der Selektionsdruck bereits teilweise gemindert wurde. Schüler, die den Anforderungen der Grundschule bzw. der Hauptschule nicht entsprechen können, werden auch heute noch (je nach Art ihrer „Behinderung“) in eine Sonderschule bzw. Förderschule verwiesen. Vertreter der inklusiven Pädagogik kritisieren diese Praxis. Sie fordern, dass kein Schüler mehr als „andersartig“ angesehen werden dürfe. Eine Klasse bilde eine Einheit vieler unterschiedlicher Schüler, von denen jeder in irgendeinem Bereich förderbedürftig sei. Jeder Schüler sei ein besonderer Fall, und deshalb würden Sonderschulen eigentlich überflüssig. Die Sonderpädagogik müsse der „normalen“ Pädagogik gleichgestellt werden: beide Wissenschaften bildeten eine Einheit. „Eine Schule für alle“ müsse flächendeckend das gegliederte Schulwesen ersetzen; sie müsse jeden individuell fördern und seine Interessen beachten. Wenig Bewegung gibt es offenbar bei Inklusion im baden-württembergischen Schulsystem . Eine Studie der Bertelsmann Stiftung vom März 2013 besagt, dass jeder vierte Schüler mit Förderbedarf die reguläre Schule besucht, aber die Schülerzahl in Sonderschulen steigt . Im März 2009, als die UN-Konvention zur Abkehr vom derzeitigen Sonderschulsystem in Kraft trat, besuchten 4,7 Prozent aller Schüler eine separate Förderschule, im vergangenen Schuljahr waren es fünf Prozent. Dies ist der stärkste Anstieg der Exklusionsquote unter allen Bundesländern. Die gestiegene Bedeutung der Sonderschulen in Baden-Württemberg trotz höherer Inklusion hängt auch damit zusammen, dass bei immer mehr Kindern sonderpädagogischer Förderbedarf diagnostiziert wird. 2009 hatte der Anteil der Schüler mit Förderbedarf in Baden-Württemberg an der gesamten Schülerschaft noch bei 6,4 Prozent gelegen. Im vergangenen Jahr betrug die Förderquote 6,9 Prozent und lag damit oberhalb des Bundesdurchschnitts (6,4 Prozent). Dass Inklusion gelingen kann, zeigt Italien. Bereits 1971 wurde durch ein Gesetz der gemeinsame Unterricht von Kindern mit und ohne Behinderung verpflichtend und flächendeckend eingeführt. Offiziell besuchen 99,9 Prozent der Kinder mit Behinderung eine Regelschule. Aber grundsätzlich ist Inklusion ein Problem: In Finnland wurden im Jahr 2010 fast 50 Prozent der Kinder mit Behinderung in Sonderschulen oder speziellen Klassen unterrichtet. Und die USA haben noch nicht einmal die Konvention unterzeichnet. Keiner der der im 67 Gouverneure, denen Obama das Dokument vorgelegt hat, stimmt derzeit zu.
Die Situation bei uns vor Ort hat die ASF in ihrer Veranstaltung: Inklusion, geht es gemeinsam besser, ausführlich beleuchtet. Lesen Sie dazu den Bericht der ASF direkt vor diesem Artikel.

Dagmar Klopsch-Güntner