Konzern Kommune ?!

Veröffentlicht am 09.02.2014 in Fraktion

Aus Wikipedia erfahren wir, dass in Abgrenzung zu der in der Privatwirtschaft üblichen doppelten Buchführung mit Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung bei der in der öffentlichen Verwaltung praktizierten Doppik ein so genanntes 3-Komponenten-Modell verwendet wird. Dieses umfasst die Vermögensrechnung (entspricht der Bilanz), Ergebnisrechnung (entspricht der GuV) und Finanzrechnung (entspricht vereinfacht der klassischen kameralen Rechnung), die durch ein viertes Modul - der Kosten- und Leistungsrechnung - zu einem 4-Komponenten-Modell ergänzt werden kann, die sog. integrierte Verbundrechnung.

Die gegenwärtige Einführung der Doppik in der öffentlichen Verwaltung der Kommunen soll die besonderen Bedingungen der Kommunalpolitik berücksichtigen. So wird gefordert, nicht zu Lasten nachfolgender Generationen zu wirtschaften. Die Vorschriften zur Rechnungslegung werden dieser Anforderung entsprechend angepasst.
Dem wird entgegengehalten, dass Wirtschaften zu Lasten nachfolgender Generationen nichts mit dem Buchhaltungssystem zu tun hat. Etwas anderes ist die Frage, ob man dieses Wirtschaften zu Lasten kommender Generationen im Rahmen des Buchhaltungssystems abbilden kann. Dies kann man, sowohl mit der kommunalen Kameralistik als auch mit der kommunalen Doppik.
Mit der erfolgreichen Ergänzung der Kameralistik um die Doppik wird mehr Kostentransparenz, Kostenvorteile und ein insgesamt effizienteres Arbeiten erwartet. Allerdings wurden die Erwartungen bis dato nicht erfüllt. Dies geht aus dem Kommunalbericht des Landesrechnungshofes Rheinland-Pfalz 2011 hervor. Die Umstellung in den Kommunen soll laut Beschluss der ständigen Innenministerkonferenz der Länder vom 21. November 2003 soll bis spätestens 2012 abgeschlossen sein. Allerdings handhaben die Länder dies uneinheitlich; Baden-Württemberg beispielsweise führt die Doppik spätestens zum 1. Januar 2016 ein. In Thüringen und Bayern gilt ein Wahlrecht für die Kommunen, in wiederum anderen Bundesländern wie z. B. Rheinland-Pfalz ist die Doppik schon seit dem 1. Januar 2009 für jede Kommune verpflichtend.
Den Umstieg von der Kameralistik auf die Doppik haben Brandenburg, Bremen, Hamburg und Hessen vollzogen. Derzeit plant nur Nordrhein-Westfalen zu folgen. Die übrigen elf Bundesländer wollen lediglich die Kameralistik um betriebswirtschaftliche Elemente (z.B. Budgetierung, Kosten-/Leistungsrechnung, Benchmarking) erweitern (sog. erweiterte Kameralistik). Auch der Bund hat sich gegen die Doppik-Umstellung entschieden. Stattdessen wird auf Bundesebene die Kameralistik modernisiert (z.B. durch Einführung einer Kosten-/Leistungsrechnung in Teilbereichen). Die Kosten des Umstiegs betrugen in Hessen ca. 200 Mio. Euro. Die jährlichen zusätzlichen Betriebskosten liegen in Hessen bei ca. 20 Mio. Euro.
Was ändert sich bei der Buchung mit Doppik?
Unsere Gemeinde baut ein Schulhaus für 2 Mio. Euro. Dazu nimmt sie einen Kredit von 2 Mio. auf. An Einnahmen hat sie 4 Mio. aus Steuern und 400000 an Gebühren. Ausgaben sind 2 Mio. für Personal und weitere Sachkosten von 2 Mio.
Kameralistische Buchung
Einnahmen Ausgaben
Kredit 2000 Schulhaus 2000

Steuern 4000 Personal 2000
Gebühren 400 Sachkosten 2000
6400 6000
Überschuss 400
Doppik
Die Gemeinde fügt hier mit ein, was sie an Werten hat, baut Rückstellungen auf, schreibt ab und sorgt vor.
Straßen und Immobilien werden bei den Aktiva angesetzt und jedes Jahr um 2% abgeschrieben. Im Beispiel werden 300000 abgeschrieben und bei den Aufwendungen angesetzt.
Beim Personal werden die Rückstellungen bei den Passiva angesetzt und bei den Aufwendungen berücksichtigt.
Die Schulden von 2 Mio. sind bei den Aktiva eingestellt und müssen auch in die Passiva. Sie gelten nicht mehr als Einnahme wie in der Kameralistik.
Aktiva Passiva
Grundstücke 2000 2000 Eigenkapital 2000 2100
Straßen 10000 9800 Rückstellungen 0 200
Kindergarten 5000 4900 Schulden 16000 18000
Schule 2000
Geldvermögen 1600 1600
Bilanzsumme 18600 20300 Bilanzsumme 18000 20300

Erträge Aufwendungen
Steuern 4000 Personal 2200
Gebühren 400 Sachmittel 2000
Abschreibungen 300
Ergebnis -100

Und wie Abschreibungen zu erfolgen haben, kann diskutiert werden. Es können dabei verschiedene Faktoren berücksichtigt werden, wie geplante Nutzungsdauer, erwarteter Wiederbeschaffungswert. Was bringt die Abschreibung?

W: N mal 1 = A

W: Wiederbeschaffungswert [EUR]
N: geplante Nutzungsdauer [J]
A: Abschreibung [EUR]
1: [J]
Jährliche Abschreibung von Gebäuden und der Betriebsausstattung
W: Wiederbeschaffungswert [EUR]
L: geschätzte Fahrleistung [km]
F: geplante Fahrleistung [km]
A: Abschreibung [EUR]

Abschreibung Fahrzeuge

Ein Unternehmen mindert mit der Abschreibung seinen Gewinn. Eine Gemeinde hat keinen Gewinn.

Im kameralen Haushalt werden Abschreibungen auch berücksichtigt, jedoch als Kosten, denen keine Ausgaben entsprechen, die aber für die wirtschaftliche Betrachtung als Ressourcenverzehr und für die Vergleichbarkeit von Alternativen berücksichtigt werden müssen: Abschreibung (Ausgleich für die Wertminderung durch Nutzung von Anlagevermögen), kalkulatorische Zinsen (Ausgleich für Kapitalbindung), kalkulatorische Miete (Ausgleich für die Nutzung von Grundstücken, Räumen usw., deren Eigentümer die Institution selbst ist), Wagniskosten (für nicht versicherte Risiken). Kalkulatorische Kosten sind nicht "haushaltswirksam", sie sind "eh-da-Kosten" und einer der Gründe, warum behauptet wird, dass die Kameralistik zur Unwirtschaftlichkeit beiträgt: diese Kosten werden bei Entscheidungen, die sich nur am "kameralen Haushalt" orientieren, nicht berücksichtigt, diese Entscheidungen verletzen damit das Wirtschaftlichkeitsgebot und die Gebote der Nachhaltigkeit und der Generationengerechtigkeit.

Vorliegend wird klar, dass der Haushalt, der bei der Kameralistik ausgeglichen war, bei der Doppik ins Minus rutschen kann und dann nicht mehr genehmigungsfähig ist.
Das geschieht, weil im Doppikhaushalt die Belastung des Ergebnishaushaltes durch
den Werteverzehr, d.h. die Abschreibungen, belastet wird. Dies erschwert künftig den Haushaltsausgleich, da im Sinne der„intergenerativen Gerechtigkeit“ den Mittelverbrauch auch erwirtschaftet werden soll.
Bei Investitionen müssen Rücklagen, Ersatzbeschaffungen und Erneuerungen
angesammelt werden, für die keine Geldquellen vorhanden sind. Das macht in der Tat Projekte, die dem freiwilligen Bereich der Aufgaben der Gemeinde zuzuordnen sind, eher unwahrscheinlich. Und führt bei Pflichtaufgaben zu der absurden Konsequenz, dass die Generation, die z.B. für die Errichtung und Unterhaltung eines Kindergartens finanziell aufgekommen ist, nun auch noch die Ersatzbeschaffung vorfinanzieren soll.
Das wäre etwa so,als müsste ein Erblasser einer Immobilie Mittel für den etwaigen erforderlichen finanziellen Renovierungsaufwand zwingend mitvererben.

Und ob man eine Gemeinde als ein Unternehmen sehen soll, das Gewinn erwirtschaften muss, halte ich für fragwürdig angesichts der vielfältigen sozialen Aufgaben einer Gemeinde, die ihre Mitarbeiter nicht einfach nach Bedarf entlassen kann und will und die keine Gewinnerzielungsabsicht haben darf und natürlich auch nicht haben soll. Gewiss sollen die nachfolgenden Generationen nicht mit einem Übermaß an Schulden belastet werden. Aber man kann eine Gemeinde tot sparen. Und was die Zukunft an Einnahmen und Ausgaben bringt, können wir nicht einmal mittelfristig gesichert angeben. Als Gemeinde, so meinen wir, müssen wir in gewissem Sinn nach Sicht fahren.
Tatsache bleibt, dass die Gemeinde ihre Einnahmen hat, die werden nicht mehr und die tatsächlichen Ausgaben werden ebenfalls nicht wirklich mehr.
Das sei vorausgeschickt, wenn es darum geht, wie wir – die SPD- den Haushalt 2014 und seine Ausgaben sehen.

Ein paar Zahlen:
Einnahmen des Haushalts in Mio: 26
Anteil Einkommenssteuer 4,4 22%
Schlüsselzuweisung 4,4 22%
Gewerbesteuer 890 T 4,5%
Grundsteuer 940 T 4,5%
Gebühren 1,9 9%
Zuschüsse 950 T 5%
Spenden 3450 Euro 0,02% = 0,39 Euro/Einwohner
Spenden private Unternehmen 0

Einnahmen aus Gewerbesteuer sind bei uns gering. Tatsächlich sind jedoch gerade die Gewerbesteuereinnahmen die Geldquelle der Kommunen – sofern man sie hat. Seit 2010 ist von Seiten des Bundes eine gemeinsame Kommission eingesetzt, die die kommunalen Finanzen auf eine neue Basis stellen soll. So ist angedacht, die Kommunen von den Kosten der Kinderbetreuung und Schule freizustellen, Sozialausgaben zu übernehmen und weg von der Gewerbesteuer einen Anteil an der Umsatzsteuer zu geben.
Weitere Ausgaben des Haushalts in Mio: 26
Personal 4,1 20%
Unterhaltung Anlagen 2,5 20%
an Verwaltungshaushalt 700 T 3%
Ehrenamt 940 T 0,29%

Schule 880000 Kernzeit 11000
Ferienbetreuung 37000
Kinderbetreuung 2,0 Mio. Kindergärten
JUZ 114000
Krippe Überschuss 6000
Seniorenbüro/Park Vetter-Stift 100000
Jugendarbeit Zuschüsse 16000

Sie sehen, hier ist alles im Fluss. Klar ist, dass auch unsere Gemeinde sehr hohe Ausgaben im Bereich Krippe, Kindergärten und Schule hat, es sind ca. 2 Mio. zusammen mit den Kosten für Schule und Betreuung ca. 3 Mio.
Die Einrichtung weiterer Ganztagesplätze wird Personalkosten von ca. Euro 150000 pro Gruppe zeitigen. Der neue Kindergarten „Zauberlehrling“ der Vetter-Stiftung, den wir dringend brauchen, um den gesetzlichen Anspruch auf einen Kindergartenplatz für Kinder ab dem zweiten Lebensjahr erfüllen zu können, wird daher weitere hohe Kosten verursachen.
Wir müssen achten, wofür es Zuschüsse gibt, für den reinen Krippenplatz oder die altersgemischte Gruppe.
Die Krippe erwirtschaftet nämlich einen Überschuss, weil das Land diese Plätze derzeit bevorzugt bezuschusst. Es bleibt abzuwarten, inwieweit die Gemeinden hier zukünftig mit Hilfen rechnen können. Für uns jedenfalls ist es wichtig, nicht nur quantitativ, sondern vor allen Dingen auch qualitativ eine umfassende Kinderbetreuung zu haben. Gleichfalls ist Inklusion unabdingbar. Vielleicht geht der Bedarf an Plätzen irgendwann einmal zurück, wenn die Eltern gleichermaßen sich die Kinderbetreuung teilen, sofern der Bund in den Lohnausgleich eintritt, steuerfinanziert. Und dazu vielleicht die Energiekostenermäßigungen für die Industrie herabsetzt.
Jedenfalls bleibt es uns wichtig, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf herzustellen und alle Kinder gleichermaßen zu fördern.

Die Grundbucheinsichtsstelle kostet jährlich ca. Euro 10000, sie soll beibehalten werden, da bei uns noch viel gebaut wird. Wir müssten sonst nach Heidelberg fahren.

An Reinigungsleistung haben wir jährlich ca. 135000 Euro Ausgaben.

Davon entfallen auf

Verwaltung 29000
Feuerwehr 2000
Schule 14000
Kernzeit 2000
JUZ 3700
Rappelkiste 40000 mit 36000 Fremdleistung
Krippe 12000
Neckarhalle 7500
Freibad 11000
Hallenbad 3750 (13750 in 2013)
Hirsch 6500
Bauhof 1100
MZH 1100
Rest 1000

Wir haben 11 eigene Reinigungskräfte mit ca. 188 Wochenstunden, die ca. Euro 17,00 pro Stunde verdienen. An Fremdleistungen geben wir ca. Euro 135000 aus. Die Fremdleistung kostet pro Stunde ca. Euro 22,00, wobei wir nicht wissen, was die Reinigungskraft verdient und was beim Arbeitgeber bleibt, Wir erachten es als sinnvoll, hier verstärkt mit eigenen Leuten zu arbeiten.

Das könnte auch für den Bauhof gelten. Weniger Fremdfirmen und externe Leistungen, sondern mehr eigene Leute. Viele kleinste und kleinere Reparaturen und Werkleistungen könnten mit eigenen Leuten bewerkstelligt werden. Dazu muss detailliert geklärt werden, welche Werkleistungen bei uns häufig anfallen und wer die nötige Qualifikation besitzt oder durch Fortbildung erreichen kann. Bei der Einstellung muss zukünftig nach den für die Gemeinde erforderlichen Qualifikationen ausgewählt werden.

Selbstverständlich muss der Arbeitsplan für alle Mitarbeiter des Pools – Reinigung, Hausmeister und Bauhof- transparent erstellt sein.

Die Infrastruktur muss erhalten bleiben, d.h. Straßen und Kanalsystem, müssen in Stand gehalten werden.

Für die Umwelt – Erweiterung des Baumlehrpfades mit Erfahrungsmöglichkeiten wie Klangholz, Klassenzimmer o.ä. – sind Euro 7500 angesetzt. Wir unterstützen das und wollen weiter versuchen, die Bürgerinnen dabei einzubinden mit Baumspenden oder Baumpatenschaften. Wir können mitteilen, dass wir bereits 10 Baumspenden haben!

Wichtig – und wir wiederholen das jedes Jahr – bleibt für uns das Erholungsgebiet Neckar und Kanal: die Dammkronen sind wunderbare Spazierwege und Erholungsgebiete: nur müssen wir die Wege so herstellen, dass man darauf mit dem Fahrrad fahren oder den Kinderwagen schieben kann.

Die weiteren Bildungsangebote und Freizeitmöglichkeiten wie JUZ, VHS, Seniorenbüro, Musikschule, Sport-und Gesangsvereine wollen wir erhalten; sie gehören zu einer vernünftigen Wohngemeinde dazu.

Die größte Frage, die sich uns mittelfristig stellen wird, ist die, ob, wo und wie wir ein Schwimmbad haben wollen oder nicht. Beide Bäder sind am Ende ihrer Lebenszeit angekommen. Rücklagen dafür haben wir nicht aufgebaut, aber wir haben die Einnahmen aus unseren Grundstücksverkäufen. Das ist das letzte Tafelsilber, so wird teils gesagt, das nicht verbraucht werden darf. Teils wird im Blick auf die Doppik darauf verwiesen, dass wir nicht in der Lage sein werden, einen Neubau im Sinne der Doppik mit Rückstellungen und Abschreibungen darzustellen und daher zukünftige Haushalte nicht mehr genehmigungsfähig sein würden.

Die Gemeinde ist für uns kein Unternehmen, das Gewinne erwirtschaften muss. Die Gemeinde muss für ihre Bürgerinnen und Bürger ein Umfeld schaffen, in dem sie wohnen und leben können und –ja- auch Annehmlichkeiten haben. Zudem ist Schwimmsport, der das ganze Jahr über betrieben werden kann, wichtig für Schule, Verein, Familien und Senioren.

Mit diesen Überlegungen werden wir in die weitere Planung und Diskussion einsteigen. Klar ist jedoch, dass wir nur jetzt in die finanziellen Möglichkeiten haben, ein neues Bad zu bauen. Wenn wir heute diese Chance nicht nutzen, dann ist ein neues Schwimmbad für die nächsten 50 Jahre gestorben.
Dagmar Klopsch-Güntner