Älter werden – alt sein…

Veröffentlicht am 29.10.2014 in Arbeitsgemeinschaften

Die Hundertjährigen-Studie, so Katrin Boch von der Uni Heidelberg, gebe ein Vorbild für gelungenes Altern. Was braucht es, um hundert Jahre alt zu werden, diese Frage könne die Studie zwar nicht beantworten, aber sie gebe schon Hinweise, was es, außer vielleiht einer genetischen Vorbestimmung,  noch an sozialen und persönlichen Faktoren brauche, um zufrieden alt zu werden und alt zu sein.

Im Jahr 2013 kam diese Studie als sog. zweite „Hundertjährigen-Studie“ heraus, sie kann im Internet unter www.gero-uni-heidelberg.de abgerufen werden. Die Zahl der Hundertjährigen – so die Studie – hat sich zwischen 2000 und 2010 mehr als verdoppelt. Gab es 1990 im Einzugsgebiet der Studie von Darmstadt bis Karlsruhe, Bad Dürkheim bis zum Necker-Odenwald-Kreis und unseren Rhein-Neckar-Kreis 2616 Hundertjährige, waren es 2000 bereits 5937 und 2011 13445, in 21 Jahren eine Steigerung von 414%. Die Studie hat sowohl die Hundertjährigen selbst befragt, und wenn diese nicht konnten oder wollten, deren Angehörige.

Nach der aktuellen Schätzung werden in 30 Jahren rund 140000 Hundertjährige in Deutschland leben, im Jahr 2000 waren es noch ca. 6000. Darauf ist unsere Gesellschaft noch nicht eingestellt. Rollt eine Welle von Pflegebedürftigen auf uns zu? Eher nicht, meint die Studie. Die Hundertjährigen von heute sind gesünder denn je und viele durchaus in der Lage, sich weitgehend selbst zu versorgen. Die größten gesundheitlichen Probleme sind schlechtes Hören und Sehen, 88 Prozent leiden darunter; auch die Gefahr von Stürzen ist groß. Mehr als die Hälfte der untersuchten Hundertjährigen ist geistig gar nicht oder wenig eingeschränkt. 21 Prozent benötigen keinerlei Leistung der Pflegeversicherung, jeder Dritte erhält Pflegestufe II und nur jeder Zehnte Pflegestufe III. Das ist überraschend, gehen wir doch immer davon aus, dass alte Menschen umfassend gepflegt werden müssten. 59 Prozent der Hundertjährigen lebt zuhause und gut ein Drittel alleine.

Die Zahl der dementen Hundertjährigen ist gesunken. Sport machen 84% der Älteren, jedoch ist im  Mittel ab einem Alter von 79 Schluss damit. Nach der Zufriedenheit mit ihrem Leben befragt, haben 80% der Befragten gesagt, sie seien zufrieden und über 50% sagten, sie seien so glücklich wie früher. Eine gewisse Unterstützung wird aber doch gebraucht und die leisten meist die Kinder, auch wenn sie selbst schon lange im Rentenalter sind, oft schon 70 und darüber. Freunde oder Nachbarn spielen faktisch keine Rolle und professionelle Hilfe wird eher selten in Anspruch genommen. Und Tatsache ist  auch, dass 40 Prozent der Hochbetagten an Einsamkeit leiden, dies mindestens so empfinden. Den Hundertjährigen wurde auch die Frage nach der Endlichkeit ihres Lebens gestellt. Sie sprachen offen darüber, offener sogar als mit den Angehörigen, die sie mit solchen Fragen und Gesprächen „nicht auch noch belasten“ wollten. Viele der Hundertjährigen sieht das Ende ganz pragmatisch: es ist nahe, man möchte aber noch ein paar Jahre haben! Eine Probandin meinte: ich fühle noch, also will ich noch leben. Deutlich wurde jedoch, dass keine Person mit Schmerzen leben möchte, das auf keinen Fall.

Das Fazit von Katrin Boch: Unsere Gesellschaft muss den Hundertjährigen das selbständige Leben ermöglichen durch Hilfsangebote, die von der Versicherung mit finanziert werden, es muss diesen Menschen eine sportliche Betätigung gegeben werden, um Stürze vorzubeugen. Schmerztherapie ist wichtig, sie muss selbstverständlich werden. Wir müssen versuchen, die alten Menschen am alltäglichen Leben teilhaben zu lassen, damit sie nicht einsam sind und sich nutzlos vorkommen. Alles machbar, wie die Zuhörer meinten. 

Dagmar Klopsch-Güntner